Doch was steckt dahinter?
Und wo beginnt die Sexualpädagogik in Krippe und Kita? Vor vielen Jahren wurde Kindern die Sexualität noch abgesprochen – das Thema wurde tabuisiert. Heute weiß man, dass die Sexualität ein Grundbedürfnis des Menschen ist und nicht erst irgendwann beginnt. Sexualität ist schon immer vorhanden. Der Alltag zeigt uns, dass Kinder es lieben zu kuscheln, sich zu berühren und Zärtlichkeiten auszutauschen.
Wenn Kinder ihren Körper erforschen und sich gegenseitig betrachten, dann ist es wichtig, dies grundlegend von der Erwachsenensexualität unterschieden. Kinder erleben sich mit allen Sinnen – sie fassen sich an, reiben an Gegenständen, riechen, schmecken, sind im Kontakt mit Anderen, suchen ihre Rolle in der Familie oder der Gruppe. Solche Spiele entstehen spontan, aus dem Tun heraus und sind meist auch sehr unbefangen. Wenn Kinder Körpererkundungsspiele tun, dann ist es für sie immer ein ganzheitliches „Spiel“. Es ist nicht DIE Sexualität, sondern ein wichtiger Bestandteil der Sozialentwicklung und Persönlichkeitsbildung.
Je nach Alter der Kinder sieht diese Körperlust sehr unterschiedlich aus.
Krippenalter (0-3 Jahre)
Bei Kleinstkindern geht es in der Sexualentwicklung noch stark um die Wahrnehmung von sich selbst mit allen Sinnen. Das Berühren, Fühlen, Schmecken und Riechen steht im Mittelpunkt. Stellen Sie sich ein weinendes Baby vor, dass sich durch den engen Körperkontakt zur Bindungsperson beruhigt – es fühlt den Herzschlag, riecht den typischen Familiengeruch, schmeckt die Haut. Dieser enge Kontakt löst Oxytocin im Gehirn des Kindes aus – ein Hormon das zur Entspannung führt.
Umso selbstständiger Kleinkinder werden, umso mehr wollen sie ihre eigene Umwelt und sich in dieser Umwelt erkunden. Dazu gehört auch, dass sie anfangen ihren Körper anzufassen und somit auch ihre Geschlechtsteile. Sie erkennen bereits, dass diese Berührungen angenehme Gefühle machen können. Gleichzeitig wollen Kleinkinder auch ihr gegenüber kennenlernen, sich präsentieren, ihren Körper zeigen und auch andere Körper betrachten. Der Weg der Sauberkeitsentwicklung steht ebenfalls auf dem Plan – Kinder untersuchen genau, was wo produziert wird, wo etwas herauskommt und wie sich dieser Prozess bewusst steuern lässt. Sauberkeitserziehung ist somit eng mit der Sexualentwicklung verbunden.
Kita-Kinder (3-6 Jahre)
Kita-Kindern geht es bevorzugt um die Exploration und den Wissensdrang. Sie möchten möglichst allen Dingen auf den Grund gehen. Es wird mit dem eigenen und dem Körper des anderen geforscht. Die sozialen Rollen in der Peergroup werden ausgetestet. Hier ist Vorsicht geboten, denn so schön es ist, wenn Kinder sich gegenseitig erkunden – umso mehr muss beim Thema „soziale Regeln“ auf die Einhaltung geachtet werden. Hierbei darf es nicht dazu kommen, dass Kinder aufgrund von Druck oder Zwang zu einer Körpererkundung überredet werden.
Die Nachahmungsspiele aus dem Alltag entwickeln sich hin zu Handlungen die Absprache benötigen: „Du bist der Arzt und du würdest mich jetzt untersuchen – ok?“ Spannend werden nun auch gemeinsame Toilettenbesuche – entweder, weil sich Kinder gegenseitig zuschauen möchten oder um Freund vor ungewollten Besuchern zu schützen.
Bei Kita-Kindern wird die eigenen Identität immer wichtiger – sie entwickeln eine Vorstellung von sich als eigenständige Person und suchen Gleichgesinnte. Sie machen sich ein Bild von der Rolle, die ihnen zugeschrieben wird, suchen nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten im Körper und Verhalten, diskutieren über stereotypische Merkmale und Familienkonstellationen. Auch die Frage nach dem eigenen Entstehungsprozess wird immer präsenter. Kita-Kinder wollen z. B. wissen, wie sie in den Bauch gekommen sind, was sie dort gegessen haben, wie sie aus dem Bauch wieder herausgekommen sind und wieso sie Muttermilch erhalten haben… Die Fragen rund um das eigene Sein wird immer bedeutsamer.
Was kann die Kita zum Bildungsauftrag beitragen?
Eine an den Rechten der Kinder orientierte Sexualpädagogik ermöglicht sexuelle Bildung und gewährleistet gleichzeig den Schutz vor sexualisierter Gewalt. Aber wie sieht dies aus?
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- Achten Sie als päd. Fachkräfte die Emotionen, Grenzen und Bedürfnisse der Kinder. Wenn wir Kinder ernst nehmen und auf ihre Signale angemessen eingehen, dann machen wir sie stark und selbstbewusst für das spätere Leben. Kinder, die gelernt haben, dass ihre Person ernst genommen wurde, suchen sich im Notfall schneller Hilfe – daher: ermutigen Sie Kinder dazu, das Wahren der eigenen Körpergrenzen einzufordern – „Dein Körper gehört dir“
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- Ermöglichen Sie Körpererkundung in einem sicheren Rahmen. Kinder müssen sich zurückziehen dürfen, um ihren Körper zu erkunden. Durch Nischen und Ecken bieten Sie Rückzugsmöglichkeiten, schützen vor ungewollten Blicken Fremder und haben trotzdem die Gelegenheit immer wieder „nach dem Rechten“ zu sehen.
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- Benutzen Sie die richtigen Bezeichnungen für Geschlechtsorgane. Nur wenn Kinder die richtigen Begriffe kennen, können sie diese benennen und im Notfall Hilfe holen. Ein Kind das sagt, dass es am Penis angefasst wurde, löst andere Reaktionen aus, als ein Kind das beispielsweise vom „Zipfelchen“ spricht.
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- Berührungen sind „Balsam für die Seele“. Durch Streichel- und Massageeinheiten lernen Kinder sich im Alltag zu entspannen. Nicht nur bei den Kleinsten– auch ältere Kinder genießen diesen intensiven Körperkontakt.
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- Matsch macht glücklich und ist ein Fest für alle Sinne. Was gibt es schöneres, als mit Rasierschaum, Wasserperlen und Co. zu experimentieren? Bei Regenwetter durch die Pfützen zu springen, im Sandkasten mit Matsch zu spielen und sich beim Angebot mit Fingerfarbe wahrzunehmen?
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- Stellen Sie im Team feste Regeln für Körpererkundungsspiele auf. Kinder brauchen Freiheiten. Aber sie brauchen auch eine feste Struktur, eine pädagogisch reflektierte Haltung und einen geschützten Rahmen:
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- Kein Kind steckt etwas in en anders Kind hinein oder leckt am Körper des anderen.
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- Kein Kind wird zu irgendetwas gezwungen.
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- Der Altersabstand beträgt maximal 2 Jahre.
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- Jedes NEIN oder STOP wird akzeptiert.
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- Es spielen alle freiwillig mit.
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- Stellen Sie im Team feste Regeln für Körpererkundungsspiele auf. Kinder brauchen Freiheiten. Aber sie brauchen auch eine feste Struktur, eine pädagogisch reflektierte Haltung und einen geschützten Rahmen:
Wie können Sie den nötigen Schutz bieten?
Hier ist Ihr Team gefragt. Alle pädagogischen Mitarbeitenden benötigen eine gemeinsame Haltung. Dies setzt voraus, dass Sie sich im Team über das Thema Sexualpädagogik austauschen, über Ihre Ängste, Wünsche und auch Ihre Beobachtungen sprechen.
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- Haben Sie im Team dasselbe Verständnis?
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- Welche Worte für Geschlechtsorgane benutzen Sie?
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- Welche Körpererkundungsregeln gibt es in der Einrichtung?
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- Haben wir einen Handlungsplan, wenn Kinder Grenzen überschreiten?
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- Wie sprechen wir mit Eltern über dieses Thema?
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- Haben wir ein sexualpädagogisches Schutzkonzept?
Sie wollen mehr über dieses spannende und wichtige Thema erfahren? Dann buchen Sie mich gern für eine Fortbildung in Ihrer Krippe oder Kita.
Ihre Bildungsexpertin
Literatur:
BZgA (2012). Liebevoll begleiten: Körperwahrnehmung und körperliche Neugier kleiner Kinder.
Erler, C. (2017). Pädagogische Grenzsituationen in der Kita meistern: Verhalten hinterfragen – professionell reagieren – gelassen bleiben. Verlag an der Ruhr.
Maywald, J. (2018). Sexualpädagogik in der Kita: Kinder schützen, stärken, begleiten. Herder.
van der Doef (2015). Kleine Menschen – große Gefühle: Die sexuelle Entwicklung von Kindern (0 – 12 Jahre). Beltz.