Nun bin ich umgezogen und auf der Suche nach einem neuen Arzt. Aufgrund der Arztsituation auf dem Dorf hat eine Praxis mich notgedrungen aufgenommen. Ein Termin wurde bereits abgesagt und als ich einen neuen machen wollte, war dieses kaum möglich. Telefonisch erreichen kann ich sehr selten jemanden. Ich war noch nie dort, aber bin jetzt schon sehr skeptisch. Der Arzt muss schon viel leisten, damit sich irgendwann ein Gefühl einstellen wird: Vertrauen.
Du kennst es doch wahrscheinlich, dieses Gefühl: Vertrauen. Du fühlst dich gut in einer Gruppe von Menschen aufgehoben. Die kennen nicht dein ganzes Leben, aber du fühlst dich wohl. Und du bist bereit, Engagement zu zeigen und fühlst dich motiviert.
Manchmal höre und lese ich auch, wenn es um das Team geht: „Ich trenne beruflich und privat.“ oder „Die müssen nicht alles von mir wissen.“ oder auch „Ich mag Teamentwicklungen nicht.“
Wie eng Teams sind, das ist ganz unterschiedlich. Dennoch bleibt eines: Alle fühlen sich in Teams wohler, in denen sich gegenseitig vertraut wird. Und das bedeutet nicht, dass sich alle im Detail kennen und dauernd privat auch Dinge miteinander unternehmen.
Ich möchte dir ein paar Gedanken geben: Was ist eigentlich Vertrauen und was passiert, wenn es nicht da ist. Zum Abschluss gibt es noch ein paar Ideen, wie du das Vertrauen im Team stärken kannst.
Vertrauen ist notwendig, um Konflikte zu lösen
Übrigens ist Vertrauen notwendig, um Konflikte zu lösen. Und wenn ich in meinen Fortbildungen für Konfliktmanagement oder Teamentwicklung nachfrage, was Menschen denken, wieviel Prozent der Zeit sie in der Woche mit Konflikten verbringen, dann sagen viele: „So um die 50 %.“ Das ist die gefühlte Zahl. Die wahre Zahl ist 15 % (laut einer Studie des Hernstein-Instituts für Management und Leadership). Diese Zahl ist auch hoch, zu hoch.
Doch die gefühlte Zahl ist aussagekräftig, oder? Daher noch ein Grund mehr, das Vertrauen zu stärken, damit die gefühlte Zahlt sinkt. Und Konfliktlösung im Team beginnen kann. Denn Konflikte sind schließlich Wachstum.
Lass uns doch hinschauen:
Vertrauen im Team
Neben diesem Grundgefühl, das sich einstellt, weil „man“ sich bei und mit Menschen einfach wohlfühlt, kommen noch einige andere Dinge dazu, die Vertrauen ausmachen. Und dieses Grundgefühl „kann ich Menschen vertrauen“ ist ja auch ein sehr individuelles. Denn natürlich spielt die individuelle Erfahrung eine Rolle.
Auch wenn ich mit Menschen privat nicht besonders viel zu tun habe, kann ich doch Menschen vertrauen, mit denen ich „nur“ arbeite.
Doch was gehört dazu und woran kannst du erkennen, ob im Team Vertrauen herrscht:
· Wenn es Ausfälle gibt, dann wird gegenseitig eingesprungen (bevor du jetzt denkst: Immer geht das nicht: in 24 / 7 Arbeitsplätzen wie Jugendwohnen und Pflege ist zwar auch mal eine Grenze erreicht, aber ein Teil des Jobs).
· Du bringst Ideen ein und diese werden auch zugelassen.
· Etwas ist gut gelaufen? Die Erfolge werden miteinander gefeiert und alle freuen sich mit anderen Personen und für die Erfolge.
· Etwas ist schief gegangen? Fehler werden miteinander besprochen, auf Ursachensuche gegangen und zugelassen.
· Es wird auch miteinander gelacht.
Was passiert, wenn kein Vertrauen da ist?
Kannst du dich noch an das Arztbeispiel vom Anfang erinnern? Zu meinem früheren Hausarzt bin ich gern gegangen, habe regelmäßige Check ups gemacht und ihm auch Dinge erzählt. Wenn mir mal was nicht so gepasst hat, dann habe ich nachgefragt und eine Erklärung bekommen. Ideal. Übertrage das mal auf das Team. Was passiert, wenn diese Dinge alle nicht das sind. Die Motivation sinkt, die Konflikte werden nicht angesprochen und Menschen melden sich krank. Wahrscheinlich ist der Wechsel also die Fluktuation im Team auch viel höher.
Und zu allem Überfluss sorgt das natürlich dafür, dass auch viel weniger „produktiv“ gearbeitet wird. Das ist im sozialen Bereich natürlich nicht immer 100% messbar. Dennoch sind gemeinsame Ziele, Werte und Visionen unabdingbar.
Wie das Vertrauen im Team gestärkt werden kann?
Während ich diesen Artikel schreibe, sitze ich im Zug und hinter mir sitzen zwei Menschen, die sich darüber unterhalten, wie es sich bei ihnen auf der Arbeit im Team anfühlt. Was für ein „Zufall“. Einer der beiden erzählte: „Wir hatten eine Zeit, da haben wir jede Woche eine Stunde Teambuilding Maßnahmen gemacht. Das war cool. Irgendwann nervt es aber auch.“
Und das ist doch genau das, was ich dir vorschlagen würde: Kümmert euch im Team umeinander. Aber dreht euch nicht im Kreis und nehmt euch zu wichtig. Schließlich warten auch spannende Aufgaben auf dich.
Drei Ideen, wie ihr das Vertrauen im Team aufbauen könnt:
1. Zeit
Nehmt euch Zeit füreinander. Das kann ein regelmäßiges Check In sein. Das können regelmäßige Walk2Talks sein, in dem über aktuelle Themen gesprochen wird. Das kann sein, dass eine Teamsitzung für Organisation benötigt wird und die nächste für Teamthemen. Zeit für das Team ist mehr als einmal im Jahr Pizza essen gehen oder sich auf dem Weihnachtsmarkt treffen (wobei das auch nicht schlecht ist).
2. Kartensets
Die Arbeit mit Kartensets liebe ich und da es so viele verschiedene gibt, sollten doch für alle welche dabei sein, oder? Du kannst dich da gut mal durchgooglen, aber zwei möchte ich dir empfehlen (Links in den Literaturangaben). Einmal die Talk Box. Hier gibt es Karten mit Aussagen, Fragen und diese können im Team beantwortet werden. Der Effekt: Ihr lernt euch besser kennen und das auf eine unkomplizierte Art und Weise. Wenn es ins Thema gehen soll, kann ich auch mein Icebreaker Kartenset für Konflikte empfehlen. Nicht nur, weil ich es entworfen habe, sondern auch, weil es einfach viele tolle Gespräche ermöglicht hat. Hier gibt es Satzanfänge, Gedanken und Fragen rund um Konflikte, die zum Austausch einladen.
3. Werte
Beim Thema Werte habe ich häufig das Gefühl, dass viele wissen, dass gemeinsame Werte wichtig sind. Und dass es auch wichtig ist zu erfahren, wer unterschiedliche Werte hat. Aber häufig wird ein Aspekt genannt, warum nicht über Werte geredet wird: Zeit. Falls dem so sein sollte, kann ich dich nur animieren, dass sich euer Team Zeit nimmt (siehe Punkt 1), Werte zu besprechen. Hier ist vom „Wert des Monats“ über „gemeinsame Wertedefinition“ viel möglich.
Profile zu Persönlichkeiten erstellen
Menschen ticken anders. Keine besonders neue Erkenntnis. Doch Tests oder bestimmte Analysen können helfen zu verstehen, wie andere Menschen ticken und warum sie handeln wie sie handeln. Das kann besonders für eine gelingende Arbeit im Team von großem Vorteil sein.
Wann entwickelt ihr euer Team weiter?
Vertrauen ist die Basis, um miteinander zu arbeiten, Konflikte anzusprechen und sich letztendlich auch wohl auf der Arbeit zu fühlen.
Teamentwicklung ist ein Prozess, der nie aufhört. Was gut ist, denn das bedeutet: Ihr habt es als Team selbst in der Hand, wie es weitergeht und wie ihr agieren wollt. Also: Wann entwickelt ihr euer Team weiter?
Deine Bildungsexpertin
Literatur:
Filker, C. & Schott, H. (2020). Talk-Box Vol. 11 – Für Teams – Kommunikation, Motivation, Teamgeist: 120 Impulskarten (3. Aufl.) Neukirchener Verlag.
Kohrn, M. (2023). Icebreaker Kartenset